Hungertuch 2023
Er lebt seit 25 Jahren in Freiburg und verarbeitet in seiner Kunst eigene Erfahrungen, aber auch Eindrücke, die von außen an ihn herangetragen werden. Das Hungertuch in seiner Farbenprächtigkeit ist aus vielen Zeitungsschnipseln geschaffen und zeigt vier Hände, die – umgeben von einem warmroten Raum – eine Erdkugel halten. Die Collage zieht unsere Aufmerksamkeit direkt auf die großen Herausforderungen, mit der wir in unserer Zeit konfrontiert sind: Klimakatastrophe, Kriege, Hunger und Pandemien, diese Krisen führen uns schmerzhaft vor Augen, wo Schwachstellen unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen sind. Auch wenn wir heute erkennen, dass diese Probleme oft miteinander verzahnt sind und sich gegenseitig verstärken, ist und bleibt die Erderwärmung die grundlegende Frage unseres Überlebens. Die ganze Schöpfung Gottes, Menschen, Tiere und Pflanzen, ist von dieser Herausforderung betroffen. Wir erleben Flutkatastrophen, das Abschmelzen der Polkappen und Gletscher, riesige Waldbrände und die Versandung ganzer Landschaften. Menschen überall auf der Welt sterben durch Wasser und Hitze. Auch bei uns werden die Auswirkungen des ausbeute-rischen Umgangs mit der Schöpfung spürbar.
Mit der Erschaffung der Welt hat Gott den Menschen die Schöpfung anvertraut. Wir Menschen als Ebenbilder Gottes sind Teil der Schöpfung, stehen in wechselseitiger Beziehung mit ihr und haben den Auftrag dafür Sorge zu tragen, dass alle ein gutes Leben führen können (Gen 1,28). Durch diesen göttlichen Auftrag ist klar, dass die Schöpfung nicht nach sechs Tagen fertig geschaffen und perfekt für alle Zeiten ist Im Gegenteil: Wir als Christinnen und Christen haben es in der Hand uns dafür einzusetzen, dass ein respektvollen und wechselseitiges Miteinander der gesamt Schöpfung möglich ist und bleibt.
Die vier Hände auf dem Hungertuch halten die Erde vorsichtig, lassen ihr Spielraum, ja, wir können fast schon sagen, wie tragen die Welt zärtlich. Oder täuscht der Blick und die Erde rutscht viel eher aus den Händen und hat keinen Halt mehr? Haben die Hände – also wir Menschen – die Erde schon preisgegeben? Manche der verwendeten Zeitungsschnipsel deuten darauf hin.
„Das kostet die Welt“, so lesen wir als eine Schlagzeile. Der wahre Preis der Zerstörung ist höher als der, den wir an der Supermarktkasse zahlen. Misereor fragt mit diesem Hungertuch, was uns heilig ist, was wir nicht antasten wollen und was uns das Leben wert ist. Es geht darum, sich darüber klar zu werden, wie wir einen Beitrag leisten können, damit uns die Welt nicht aus den Händen fällt und wir das, was nicht bezahlbar ist, schützen und bewahren.
Unter den vielen Zeitungsschnipseln erscheinen deshalb auch einige, die Mut machen. Sie deklarieren den Anfang, fordern uns auf, Farbe zu bekennen, sprechen von Wandel, Nachhaltigkeit und vom Wohlfühlen. Der Künstler Emeka Udemba klebt diese mutmachenden Wörter wie Pflaster auf die Wunden der Krisen unserer Zeit und der Schöpfung.
Damit das Hungertuch nicht nur ein Akt der Kunst bleibt, braucht es uns alle. Das Hungertuch fordert uns Menschen auf, dem Schöpfungsauftrag nachzukommen und unseren je eigenen Teil dazu beizutragen. Wir sind die erste Generation, die das Ausmaß der Klimakatastrophe weitestgehend überblicken kann und sind somit zugleich auch die letzte, die sie aufhalten können wird. Das wird nicht einfach sein, es ist mit Arbeit verbunden, mit Anstrengung, vor allem aber mit Motivation und mit Leidenschaft.
Denn nur ein leidenschaftlicher Einsatz für die Schöpfung und das Übernehmen von Verantwortung lässt und alle – Menschen. Tiere, Pflanzen – auf dieser Welt weiterleben. Es liegt in unseren Händen, dass die Schöpfung „sehr gut“ bleibt (Gen 1,31)!