Gib Gott, was Gott gehört. (29. Sonntag im Jahreskreis 2002)
Gib Gott, was Gott gehört.
An diesem Satz entscheidet sich, ob es um Religion geht oder um eine Ich-AG. Gib Gott, was Gott gehört.
Ich denke an die Menschen, die von Gott Gebrauch machen, wenn sie ihn nötig haben; die ihren Herrgott dem modernen Lebensgefühl anpassen; die sich ihre eigene Religion zusammenstellen; die sich selbst zum Maß ihrer Religion machen; die sich zum Gesetzgeber ihrer eigenen Religion aufschwingen. Da wird Religion zur Ich-AG.
Wenn ich auch in Sachen Religion nur um mich selber kreise; wenn ich auch in Sachen Religion bei mir und meinen Ansprüchen bleibe, dann bin ich meilenweit davon entfernt, Gott zu geben, was Gott gehört.
Schon in meiner Beziehung zu einem anderen Menschen kann ich nicht selbstherrlich bestimmen, wie die Beziehung auszusehen hat; auch der andere hat seine Ansprüche; auch der andere hat seinen Willen. Darüber kann ich nicht einfach verfügen.
Und schon gar nicht kann ich über Gott verfügen, den Schöpfer der Welt, den Herrn über das All, den Unendlichen, den Allmächtigen. Wer bin ich, dass ich ihm die Schulter klopfe? Wer bin ich, dass ich bestimme, wie Gott zu sein hat? Gib Gott, was Gott gehört.
Wenn ich Gott geben will, was ihm gebührt, dann habe ich Verbündete in allen Weltreligionen. In allen Weltreligionen gibt es die Menschen, deren Schlüsselfrage nicht ist: was bringt m i r Religion, sondern: was erwartet Gott von mir; Verbündete, die nach Gottes Willen fragen; die bereit sind, Gott zu geben, was Gott gebührt.
Der Anfang aller Weisheit ist die Gottesfurcht, sagt das Alte Testament, und gemeint ist nicht das Zittern vor Gott, sondern der Respekt, der Gott den ersten Platz gibt, nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch.
Was gehört denn Gott? Was ist sein Anspruch? Was erwartet er von mir? Von Kindheit an ist mir eine klare Antwort angeboten worden. Es ist die Antwort, die Jesus von Nazaret gibt; ja, er selbst ist die Antwort.
Ich habe diese Antwort ergriffen, und sie hat mich nicht enttäuscht. Ich habe mich in der Welt umgesehen und tue es bis heute. Ich habe keine bessere Antwort gefunden. Sie hat Bestand in kritischem Nachdenken. Sie hat sich bewährt in den Härte-Tests meines Lebens.
"Niemand hat Gott je gesehen", sagt das Johannesevangelium. "Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht." Jesus ist Gottes Wort an uns. Was ich von Gott weiß, weiß ich von ihm. Alles andere ist Vermutung.
Gib Gott, was Gott gehört, sagt Jesus. Und wenn du wissen willst, was du Gott geben sollst, dann – so sagt Jesus – dann komm und folge mir nach. Lerne von mir. Lerne von mir, dein Herz für Gottes Liebe zu öffnen. Vertraue seiner Liebe. Vertraue ihr ganz und gar. Lass dich von ihr leiten.
Das klingt gut. Das ist eine frohe Botschaft. Aber jetzt kommt die Klippe, der Stolperstein, die Hürde, vor der viele Menschen ausweichen und in die selbstgemachte Religion abbiegen. Wir Menschen meinen, wir wüssten alles besser; wir wüssten selbst am besten, was für uns gut ist; wir wüssten es besser als Gott und lassen uns darum auch nicht wirklich von ihm leiten, von seinem guten Geist, vom Geist Jesu Christi. Viel zu wenig vertrauen wir seiner Liebe. Und wir fürchten um unsere Eigenständigkeit. Aber Gott will uns nicht entmündigen. Er will uns die Eigenständigkeit nicht nehmen. Im Gegenteil: er will sie weiten, erheben, stärken. Sich von Gottes Geist leiten lassen, heißt: ins Eigene finden. Und denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Besten.
Gib Gott, was Gott gehört. Was ist das? Geben Sie ihm Ihr Vertrauen. Geben Sie ihm Ihr ganzes Vertrauen. Welches Anliegen, das Ihnen am Herzen liegt, könnten Sie ihm jetzt anvertrauen?