Zum Inhalt springen

Der Ochse kennt seinen Herrn. Ein solcher Ochse will ich sein. Sie auch? (Fest der heiligen Familie 2002)

Datum:
29. Dez. 2002
Von:
Heinz Büsching

Heute möchte ich über den Ochsen sprechen.

Die Engel kommen immer groß raus. Auch die Schäfchen finden Beachtung, und der Esel ist lustig. Aber wer redet schon vom Ochsen?

Dass Maria und Josef liebevoll betrachtet werden, das ist o.k. Und dass das Kind in der Krippe der absolute Mittelpunkt ist, das versteht sich von selbst. Doch bei solchem Glanz bleibt der Ochse in der letzten Ecke. Und wenn erst mal am Dreikönigstag die Kamele kommen, dann ist er ganz weg vom Fenster. Kamele sind toll. Aber was ist schon ein Ochse?

Wir sollten auch mal vom Ochsen sprechen. Sonst ist schließlich die Krippe weggeräumt und der Ochse mal wieder total vergessen worden. Aber bitte! Heute ist doch das Fest der Hl. Familie. Wir sollten an die Familien denken und nicht an Ochsen. Das stimmt. Und es ist mir nicht entgangen. Aber vielleicht passt es ja ein ganz kleines bisschen zusammen.

Denken Sie einmal an die Familiensituation vor Weihnachten. Geschenke-Besorgen. Was schenke ich wem? Da stand man doch wie der Ochs vor dem Berge. Oder denken wir an die Weihnacht in der Familie. Wer stimmt die Lieder an? Ist jemand bereit, das Weihnachtsevangelium vorzutragen? Wie lief das mit dem persönlichen Gespräch? Ob da nicht etliche Familienmitglieder wie die stummen Ochsen waren? Oder gar alle? Der Ochse von Betlehem spendet Trost. Ohne Verdienst, ohne jegliche Leistung, obwohl er nichts anderes war als ein stummes Rindvieh - er durfte dabei sein. Er saß zwar nicht in der ersten Reihe. Aber offensichtlich gehört der Ochse ganz richtig dazu. Ja, man muss die Frage stellen: Was ist eine Krippe ohne Ochse? Da würde etwas fehlen! Wenn das kein Trost ist für die vielen, die zu Hause den Mund nicht aufkriegen und in den Augen der Familien-Leistungsträger nichts anderes tun als blöd herumstehen.

An dieser Stelle gerate ich ins Stocken. Haben Sie sich unsere Krippe genau angesehen? Es lässt sich nicht verschweigen. In unserem Stall steht kein Ochse. Das lässt verschiedene Deutungen zu. Zum Beispiel dass der Stall zu eng ist oder die Pfarre zu arm, um sich einen Ochsen zu leisten. Vielleicht will auch der leere Platz den Betrachter zur Demut anhalten, indem er dazu einlädt, sich selbst entsprechend einzubeziehen.

Ich persönlich suche die Lösung anderswo. Von unseren zerschlagenen alten Kirchenfenstern ist eines übriggeblieben, genauer gesagt: nur ein einziges Bild, das Bild des Ochsen. Sollte dies göttliche Fügung sein, dann hätte damit Gott selbst den Ochsen ins Licht gebracht. Eigentlich ist es ja ein Stier, der Stier des Evangelisten Lukas. Aber was ist der Ochse anderes als ein gedemütigter Stier.

So gibt es den Ochsen bei uns also doch, und nicht nur zur Weihnacht. Demütig, wie es sich gehört, im hintersten Kirchenfenster, und eigentlich nur vom Altar aus richtig zu sehen. Ich gucke oft hin.

So viel zum Ochsen in der Kirche. Kehren wir zurück zum Ochsen in der Familie.

Wir sprachen von der Bedeutung des Ochsen vor Weihnachten und am Weihnachtsfest selber. Wie ist es denn mit dem Ochsen nach Weihnachten? Ich will das nur andeuten und zunächst mit einer Äußerlichkeit beginnen. Überlegen wir einmal, was wir an Weihnachten alles gegessen haben und wieviel. Wenn wir so an das Gewicht denken, ob da nicht eine gewisse äußere Annäherung an den Ochsen zu verzeichnen ist? Auch hier spendet der Ochse von Bethlehem Trost. Er trägt sein Gewicht mit Würde.

Ich möchte vom äußeren Gewicht wegkommen und die Aufmerksamkeit lenken auf das Gewicht der Persönlichkeit. Bei dem großen heiligen Kirchenvater Irenäus las ich eine Betrachtung über die Wiederkäuer. Tiere, die zugleich Wiederkäuer und Zweihufer sind, galten im AT als reine Tiere. Der heilige Kirchenvater legt das Wiederkäuen aus als Meditieren, und ich finde, es ist eine treffliche Interpretation. Auch geistig gesehen gibt es Brocken, die man verarbeiten muss, und gerade religiöse Brocken sind manchmal schwer zu verdauen. Dazu braucht es eine dauernde Beschäftigung und viel Zeit. Das Bild vom wiederkäuenden Ochsen ist ein sehr erdverbundenes Bild. Seien wir mal nicht so Etepetete. Lassen wir uns den wiederkäuenden Ochsen ruhig mal ein Vorbild sein für ein beharrliches Sich-Befassen mit den Sinn-Brocken, die uns an Weihnachten und sonst im Leben manchmal angeboten und manchmal wie einem Ochsen hingeworfen werden. Wenn jemand sagt: du Ochse, vielleicht will er uns ja gar nicht beleidigen, sondern unsere Nachdenklichkeit hervorheben. Lasst uns in diesem Sinne wahre Ochsen sein.

Wenn ich - so verstanden - heute ein guter Ochse sein will, dann muss mein nachdenklicher Blick auch auf das heutige Evangelium gehen, obwohl man da am liebsten gar nicht hinschauen möchte, so Entsetzliches wird da berichtet: von Macht und Mord, und das Jesuskind ist tödlich bedroht. Der Esel war ja wohl für die Flucht nach Ägypten behend und hilfsbereit zur Hand, man sieht das ja auch auf vielen frommen Bildern, und so darf man annehmen, dass er mit der Hl. Familie dem ganzen Elend entkommen ist. Aber der Ochse, unbeholfen und langsam wie er war, hat bestimmt mal wieder den Anschluss verpasst. So ist er denn geblieben und musste dann - wenn wir unserer Phantasie ein bisschen freien Lauf lassen - einiges von den schlimmen Dingen mit ansehen, die in und um Betlehem danach geschehen sind. Wenn es je in dieser Welt eine Ochsentour gegeben hat: das war eine. Ich könnte mir leicht eine Legende ausdenken, in der der Ochse am Schluss vor Kummer stirbt.

Aber davon weiß die Überlieferung nichts. In der Menschheitstradition gilt der Ochse als ein Symbol der Güte, der Ruhe und der friedlichen Kraft. Der Prophet Ezechiel sieht ihn ganz dicht am göttlichen Thron. Aber der schönste Satz steht bei Jesaja. Es ist der Satz, der den Ochsen an Jesu Krippe gebracht hat. Da heißt es: der Ochse kennt seinen Herrn.

Ein solcher Ochse will ich sein.

Sie auch?