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Dass Gott Mensch geworden ist, was bedeutet das für Sie? (1. Weihnachtsfeiertag 2002)

Datum:
25. Dez. 2002
Von:
Heinz Büsching

Dass Gott Mensch geworden ist – was bedeutet das für Sie?

Gott ist Mensch geworden, ein Teil der Welt, ein Mitglied der Menschheit, einer von uns. Was bedeutet das für Sie?

Vielleicht wird meine Frage deutlicher, wenn ich den Menschwerdungsglauben vergleiche mit dem Buddhismus, dieser Weltreligion, die für viele Menschen so attraktiv geworden ist. Das Motto des Buddhismus lautet: Lös dich los von der Welt! Befrei dich von der Welt! Werde frei von allem Begehren, das sich an die Welt bindet!

Das Ziel ist das Nirwana. Im Nirwana ist alles Weltliche erloschen. Etwas burschikos könnte man die Parole des Buddhismus formulieren: Raus aus der Welt! Inwieweit der Buddhismus das praktisch durchhalten kann, ist eine andere Frage. Aber seine Grundtendenz bleibt die Abkehr von der Welt.

Im Christentum heißt die Parole umgekehrt: Rein in die Welt! Der Sohn Gottes geht in die Welt ein und sagt: Komm und folge mir nach. Wir wirken unser Heil nicht, indem wir die Welt abstoßen, sondern indem wir uns der Welt zuwenden und sie verwandeln. Geht hinaus in alle Welt, sagt Christus. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

Den Weg Gottes in die Welt mitgehen, das ist die Grundbewegung, die Christus in die Welt gebracht hat. Das ist die Grundbewegung des Christentums. Das Ziel ist nicht das Erlöschen des Weltlichen, sondern der neue Himmel und die neue Erde. Inwieweit dem Christentum diese liebende Bewegung in die Welt praktisch gelingt, ist eine andere Frage. Aber seine Grundtendenz bleibt die positive Zuwendung zu Welt und Mensch.

Aber gibt es nicht auch im Christentum die Abkehr von der Welt? Die Loslösung vom Irdischen? Die Warnung vor dem Begehren? Gibt es nicht auch im Christentum die Mönche, die sich in die Abgeschiedenheit zurückziehen, und die Mahnung an alle, sich mit dieser Welt nicht gemein zu machen?

Das Christentum ist realistisch genug, um zu sehen, dass unsere Welt angeknackst ist, vom Bösen infiziert und manchmal gemeingefährlich. Frei werden von der Welt heißt im Christentum immer, vom Bösen in der Welt frei zu werden. Und wo das Christentum die Distanz zur Welt betont, geht es ihm darum, dass nicht irgendetwas in der Welt mit Gott verwechselt wird.

Wo es darum geht, von einer falschen Anhänglichkeit an das Irdische frei zu werden, da können wir Christen vom Buddhismus viel lernen; von seiner Technik der Meditation, seiner Predigt der Gewaltlosigkeit, der methodischen Anleitung, Gier, Hass und Verblendung zu überwinden. Doch bei allem Kampf gegen Versuchung und Verderbnis des Irdischen sagt das Christentum Ja zur Welt. Vorbild und Fundament für dieses Ja zur Welt ist das große Ja Gottes. Gott hat sich durch seine Menschwerdung auf dieses Ja zur Welt festgelegt. Er ist gekommen zu retten und zu heilen. Wir sind eingeladen, in dieses Ja Gottes einzustimmen und beim Retten und Heilen zu helfen. Und noch das strengste christliche Kloster will nicht raus und weg, sondern Licht für die Menschen sein, Stadt auf dem Berg, Fürbitte für die Menschen.

Dass Gott sich auf diese Welt einlässt und uns dabei mitnehmen möchte, ist einerseits hoffnungsgebend, frohmachend, erlösend. Aber es bedeutet auch, sich preiszugeben. Es bedeutet, sich den Versuchungen der Welt auszusetzen und sein Leben zu riskieren.

Den Versuchungen hat Christus widerstanden, aber sein Leben hat er auf schreckliche Weise eingebüßt. Viele, die ihm nachgefolgt sind, haben – wie er – ihr Kreuz auf sich genommen und sein Schicksal geteilt.

Ich mache auf die andere Konsequenz aufmerksam, die Sache mit den Versuchungen. Wer sich auf die Welt einlässt, macht sich nicht nur die Finger schmutzig, sondern oft auch das Herz. Wem gelingt es schon, allen Versuchungen zu widerstehn? Wer etwas tut, macht auch Fehler. Ständig kriege ich die Sünden des Christentums, der Kirche und auch meine um die Ohren gehauen, immer auch als Argument gegen die Kirche. Da wird wohl zu wenig bedacht, was es bedeutet, sich nicht nur auf die Welt einzulassen, sondern auch sich einzumischen. Wer die Welt umarmt, bringt sich in die Gefahr, sich anzustecken.

Was die Barmherzigkeit angeht und das Mitleid mit denen, die scheitern, da spüre ich – um diesen Bogen noch einmal zu schlagen – viel Solidarität mit dem Buddhismus. Zu dessen Grundeinstellungen gehört das Mitleid mit aller leidenden Kreatur.

Weihnachten feiert das große Ja Gottes zur Welt, das menschgewordene Ja, das fleischgewordene Ja, das Ja, das nicht mehr rückgängig zu machen ist. Gottes großes Ja, seine Umarmung der Welt, bleibt für mich Rückhalt, Vorbild und Herausforderung. Ich will die Sünden nicht übersehen, aber ich halte mich mehr an Franziskus und Mutter Teresa und die vielen vielen anderen, die mit Christus die Welt umarmt haben.

Jetzt, in dieser heiligen Messe, umarmt er auch Sie und mich. Dass Gott Mensch geworden ist, was bedeutet das für Sie?