Von einer abenteuerlichen Fahrt in den Urwald...
Montags um 7.30 Uhr sollte es losgehen, wobei Betty meinte, dass es reicht, wenn wir um 8 Uhr an der Schule sind. Das hat es. Und zwar locker. Letztendlich sind wir dann um halb zehn losgefahren. Nach Baguia, einem Subdistrikt von Baucau, den jeder kennt, deswegen dachten wir, dass es nicht allzu weit weg ist. Damit hatten wir auch Recht, ich bin nur zum ersten Mal wirklich in den Genuss von einer schönen timoresischen Straße gekommen. Wir würden eher schlechter Feldweg sagen. Die „Straße“ hat uns durch viele kleine Dörfer mit sehr vielen traditionellen Häusern („uma lulik“ = heiliges Haus) geführt, die in dieser Region auf Stelzen gebaut sind. Die Hinfahrt hat mir einiges an Nerven abverlangt: wir saßen zu elft im Auto, die schlechte Straße und der Sonnenbrand, den ich mir am Sonntag davor am Strand geholt habe, eine Kollegin, die durchgehend geredet hat und immer den gleichen Witz erzählt hat und auch noch nach dem fünfzehnten Mal drüber lachen konnte (er war nicht lustig und sie war die einzige, die gelacht hat), das Wissen, dass wir noch lange nicht da sind und das Wissen, dass wir den gleichen Weg heute wieder zurückmüssen. Mit der Zeit hat sich auch die Natur verändert. Auf einem Höhenzug haben wir Mittagspause gemacht.
Zum ersten Mal hat man den Wind richtig rauschen gehört und konnte aus der sehr vertrockneten Landschaft auf das Meer blicken. Zum Mittagessen gab es Katupa (Reis besonders zubereitet und in Blätter eingeflochten) und gegrillten Fisch, wobei für uns ein gekochtes Ei gekauft wurde. Mittlerweile lasse ich mich nicht mehr von einem ganzen Fisch abschrecken, aber unter diesen Umständen war mir ein gekochtes Ei doch lieber. Irgendwann fing die Witze-erzählende-Kollegin an, allen möglichen Menschen aus dem Fenster raus zu winken: sie kannte sich langsam aus, weil sie aus Baguia kommt. Konnte uns aber beruhigen, dass wir noch lange nicht da wären. Schließlich wussten die Leute auf der Straße von der Beerdigung Bescheid und wir fuhren an Menschengruppen vorbei, die ebenfalls auf dem Weg dorthin waren.
Wir waren gerade in den letzten, allerschrecklichsten Feldweg eingebogen, als es <peng> macht! Ich musste einfach loslachen!!! Alle sind aus dem Auto gesprungen, hatten aber keine Angst, denn es war nur ein Reifen geplatzt! Das war nach der ganzen Fahrt eigentlich nur noch das Sahnehäubchen. Also sind wir die letzten hundert Meter gelaufen, während unser Fahrer den Reifen ausgewechselt hat. Die Luft war viel feuchter, es war kälter, ein bisschen nebelig: eine ganz andere Natur mit ganz anderen Geräuschen und diesmal wirklich ländlich. Dagegen ist Baucau pulsierend. Während wir den Berg hochgestiegen sind, trafen wir unheimlich vielen Menschen, bis wir schließlich an einem kleinen Unterstand ankamen, wo der Sarg aufgestellt war.
Dort haben wir zuerst für die Tote gebetet und wurden danach von der Familie zum Essen eingeladen. Eigentlich war ich pappsatt, aber es gab ein riesiges Buffet. Und hätte ich mir nicht selber etwas genommen, wäre ich hinterher noch gefüttert worden. Danach haben wir ein paar Fotos gemacht und sind wieder zurück zum Auto. Eine Zeremonie oder ähnliches gab es nicht, ließe sich unter den Transportumständen hier auch nicht planen.
Die Rückfahrt, es war schon dunkel, habe ich besser ertragen, als ich gedacht hätte und um 22 Uhr waren wir wieder zu Hause. Für die Hinfahrt haben wir fünf Stunden gebraucht, für die Rückfahrt nur vier. Aber als wir zu Hause waren, haben wir mal auf die Karte geschaut: von Baucau bis nach Baguia sind es keine 50 km!
Manchmal braucht man einen Anlass zum Feiern. Die GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) hat dafür den Tag der Deutschen Einheit genommen. Da es in Osttimor aber keine Botschaft gibt, musste der Botschafter aus Jakarta, Indonesien, eingeflogen werden und dadurch fanden die Festlichkeiten am 16. Oktober statt. Mit dem Follow-up Programm konnten wir morgens nach Dili fahren. Den Tag haben wir dann im Timor Plaza verbracht, DEM Einkaufszentrum in Dili. Es ist nicht großartig, aber wir haben uns die Zeit genommen, in Ruhe durchzugehen und sind auf die eine oder andere lustige Entdeckung gestoßen
Abends konnte ich dann meinen ersten selbstgenähten, für die Schule etwas zu kurzen, Rock anziehen! Es war eine sehr schicke Veranstaltung, bei der ich erst einmal an dem Botschafter und GIZ-Chef, die zum Händeschütteln bereitstanden, vorbeigelaufen bin. Aber zum Glück war ja Sven dabei, der mich schnell zurückgeholt hatte, damit ich wieder als meine Vorgängerin identifiziert werden konnte. Nach zwei kurzen Reden in schlechtem Englisch, das des Botschafters habe ich wenigstens verstanden, und den beiden Nationalhymnen gab es Snacks und Getränke. Leider musste man den Häppchen eher hinterherlaufen, aber das, was ich abbekommen habe, war sehr lecker.
Als der Alkoholkonsum einen gewissen Pegel erreicht hatte, wurde angefangen zu tanzen. Es hat nicht lange gedauert, da standen die Timoresen bei Carolin und mir Schlange. Den einzigen Tanz, den sie getanzt haben, war nicht schwer. Nach drei Sekunden konnte ich ihn. Ich weiß jetzt auch warum: als wir keine Lust mehr hatten, haben wir uns hingesetzt und die Timoresen kamen und haben ewig auf uns eingeredet und in jedem dritten Satz die gleiche Frage gestellt. Also muss der Tanz so einfach sein, weil sie ihn entweder sonst vergessen würden oder die Wiederholung so lieben. Gegen 23 Uhr musste der GIZ-Chef dann leider alle rausscheuchen, was wir aber nicht so schlimm fanden. Danach ist der harte GIZ-Kern in unser Hotel gefahren und hat die Party am Pool fortgesetzt, bis auch irgendwann sie müde wurden.