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Was ist arm, was ist reich?

Armut: Was ist das? Bedeutet Armut, in einem Rohbau mit Wellblechdach zu wohnen? Bedeutet Armut, immer auf jeden Cent achten zu müssen? Oder kann Armut vielleicht auch etwas ganz Anderes bedeuten: Z.B. Armut an Höflichkeit? Armut, sich keine Zeit für Dinge zu nehmen?
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Datum:
27. Nov. 2016
Von:
Konstantin Bertling

In Deutschland hatte man die Frage „Was ist arm, was ist reich?“ schnell beantwortet: Deutschland ist ein reiches Land; Ecuador ein armes. Ich zuhause, im Haushalt mit eigenem Reihenhaus und zwei Autos bin reich, die in Ecuador mit Wellblechdach und keinem eigenen Auto arm.

 


Jetzt, nach fast vier Monaten im „armen“ Ecuador, denke ich ganz anders darüber. Über diese Zeit habe ich mich an einige dieser „anderen Reichtümer“ Ecuadors schon gewöhnt: Jeder morgen beginnt mit einem fröhlichen „Buenos días“ (Guten Morgen), und das zwar nicht nur in den Raum hereingebrüllt, sondern von jedem Arbeitskollegen einzeln. Wenn ich im Restaurant sitze, und mein Mittagessen schon vor mir steht, wird mir von anderen Leuten die ins Restaurant hereinkommen ein „Buenas tardes“ (Guter Nachmittag) und „Buen provecho!“ (Guten Appetit) gewünscht.

Was ich damit sagen möchte: Wir machen uns es häufig zu leicht. Wir versuchen immer, Alles in unsere Muster und Schubladen einzuordnen. Wir sortieren in „arm und reich“, und das eigentlich immer nur gemessen an der Wirtschaftsleistung. Und so schnellt passiert es dann: Deutschland, ein sehr wirtschaftsstarkes Land ist automatisch ein „reiches, entwickeltes Land“. Ecuador, ein Land das eindeutig nicht so wirtschaftsstark wie Deutschland ist, ist automatisch ein „armes, (3. Welt)-Entwicklungsland“. Dabei ist Deutschland genauso ein Entwicklungsland wie Ecuador: Wir müssen lernen, langfristig, nachhaltig und vor allem verantwortungsbewusst mit unser enormen Wirtschaftsleistung umzugehen. Genauso können sich viele Deutsche (eingeschlossen mir selbst) aber auch noch in der Hinsicht entwickeln, zufriedener zu sein mit dem was sie haben und nicht in jeder Kleinigkeit ein Problem zu sehen.

Natürlich sind alle diese Dinge leicht gesagt und auch ein wenig über einen Kamm geschert, aber ich möchte euch dennoch erzählen, wie ich zu diesem Gedankengang gekommen bin: in meinem Kurzurlaub in Baños habe ich in einem sogenannten Dorm übernachtet: Ein Mehrbettzimmer in einem Hostel, dass man sich mit anderen, fremden Reisenden teilt. Meine Zimmergenossen waren allesamt ebenfalls Europäer: eine Deutsche, eine Niederländerin und ein Tscheche. Da ich natürlich meistens als Letzter aufgestanden bin, habe ich jedem meiner Zimmergenossen, wenn ich sie dann irgendwo gesehen habe, einen guten Morgen gewünscht. Da wurde ich das erste Mal schräg angeguckt, und mehr als ein genervtes „Morg’n“, kam nicht zurück. Als ich dann aber einmal den Anderen einen guten Appetit gewünscht habe, als sie zum Frühstück gingen, wurde ich komplett schräg angeguckt.

Dies hat mich dann einfach dazu angeregt, die oben lesbare Thematik mal anders zu bedenken.

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So jetzt aber genug herumphilosophiert, noch ein ganz schneller Exkurs aus meiner Mitarbeit im Sozialarbeiterprojekt „Ausrottung von Kinderarbeit und Straßenbetteln“: Ich habe das Gefühl, im Rahmen dieses Projektes lerne ich andauernd wichtige Leute kennen. Letzten Monat lernte ich den Militärgeneral Santo Domingos kennen, da wir bei ihm waren, um einen Ausflug für die Kids des Projektes zu besprechen.

Letzten Donnerstag lernte ich dann noch weitere „Lokalprominenzen“ kennen: Der offizielle Schirmherr des Projektes, Padre Martin, hatte eine Art Pressekonferenz, um über die Arbeit gegen das Straßenbetteln zu berichten. Wir waren als Zuschauer mit bei der Konferenz dabei. Ebenfalls zu dieser Pressekonferenz als Redner kamen die Direktorin des Sozialarbeitsministeriums und die Generalin der Polizei in Santo Domingo, aber auch sogar der Gouverneur der Provinz Santo Domingo. Fehlt nur noch, dass ich dem Präsidenten Ecuadors einmal die Hand schüttele :D

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Zusätzlich noch neu zu meinen Aufgabenfeldern im Heim dazugekommen, ist der wöchentliche Besuch im Mädchenheim „Valle Feliz“, in dem die Schwestern einiger Jungs des Casa Hogars de Jesús leben.

Sooo, dat sollet jetzt aber auch erstmal jewesen sin von diesem sehr philosophischen Eintrag heute. Vielleicht wird der nächste Eintrag schon bald kommen: Nächstes Mal möchte ich euch, sofern es interessiert, ganz abseits von meiner Arbeit in Santo Domingo berichten und euch ein wenig etwas von den wunderschönen Andenlandschaften Ecuadors berichten, in denen ich Anfang des Monats Urlaub gemacht habe und nächstes Wochenende wahrscheinlich wieder hinfahre.

In diesem Sinne, viele Grüße aus dem fast schon zu warmen Santo Domingo y buenas lavadoras (gute Waschmaschinen) wünscht euch

euer Konni