Feliz Navidad! Weihnachtsgrüße aus Argentinien
Einerseits ist es klimabedingt warm und Weihnachten ohne winterliches Ambiente ist für mich schwer vorstellbar, andererseits werden hier Traditionen, wie ich sie aus der Weihnachtszeit kenne, nicht zelebriert. Durchaus vermisse ich da schon ein gemütliches Sonntags-Advent Frühstück mit der Familie oder Plätzchen backen. Dazu bin ich bis jetzt noch nicht gekommen, da dieser Monat wirklich unglaublich ereignisreich war. So ereignisreich, dass ich es leider auch nicht schaffe, so ausführlich zu berichten wie zuvor. Vielleicht kann ich das im neuen Jahr in Ruhe nachholen.
Neues aus der Arbeit:
Endlich haben wir es geschafft, das erste recycelte Cello fertigzustellen. Ich bin absolut begeistert, denn nach einigen weiteren Verbesserungen, lässt es sich sogar recht angenehm spielen. Durchaus eine ungewohnte Haltung, da das Cello etwas dünner ist, aber das nehme ich gerne in Kauf. Es macht mich glücklich auf einem selbstgebauten Cello zu spielen, bei dem ich bei allen Entwicklungsschritten, von der Suche der Materialien auf der Müllhalde über die Fertigung bis hin zum ersten Ton, beteiligt war.
Zum Glück sind wir rechtzeitig zu dem ersten Event fertig geworden auf das noch viele folgen sollten. Jedes Mal habe ich von Frank Sinatra „My Way“ gespielt, das hier auch „A mi manera“ (Auf meine Art und Weise) benannt wird.
Besonders amüsant ist es, wenn wir zu dritt das Cello stimmen, da das der schwierigste Teil von allen ist. Einer muss mit seiner gesamten Kraft die Wirbel mit einer Zange drehen (da diese aus alten Schlagzeugsticks bestehen und sich so schwer drehen lassen), der Andere muss den Steg festhalten, damit sich dieser durch die Saitenbelastung nicht schief stellt und der Dritte zupft die Saiten und gibt die Kommandos an, die das Stimmgerät vorschlägt.
Fünf Konzerte, drei Radiobeiträge und ein Fernsehinterview haben mir jedoch bestätigt, wie stark die Begeisterung für dieses Projekt ist.
Eines Abends bin ich nach Hause gekommen und so informierte mich mein Gastvater und Chef, dass wir ganz spontan am nächsten Tag nach Buenos Aires reisen würden für ein Event, bei dem auch das Orchester aus Paraguay spielen sollte. 1400 km insgesamt für ein fünfstündiges Event auf der Weihnachtsfeier von „The Coca Cola Company“ in einem absoluten Luxushotel, bei dem ich mich eher fehl am Platz gefühlt habe. Dort habe ich entgegen meiner Erwartung auch gar kein Stück gespielt, da der Zeitplan der Veranstaltung sehr eng ausgelegt war und das Unternehmen eine hohe Geldsumme gezahlt hat, nur damit 11 Spieler des „Cateuras“ auf der Veranstaltung drei Lieder spielen.
Zugegebenerweise war das Essen aber sehr lecker. Danach hab ich mit meinem Gastvater noch eine Nacht in Rosario geschlafen, um nicht an einem Tag Hin und zurück fahren zu müssen. Rosario ist die drittgrößte Stadt Argentiniens auf der Mitte des Weges. Am nächsten Tag mussten wir jedoch pünktlich in Córdoba ankommen, da wir an einem Event der Provinz teilnehmen sollten, bei dem uns zur Unterstützung unserer Ideen Instrumente geschenkt wurden. Nun haben wir ein Cello, eine Geige, eine Klarinette, eine Posaune, eine Trommel und eine Trompete. Damit kann man ja schon richtig etwas anfangen!
Darüber hinaus haben meine beiden lieben Kollegen und Freunde, mit denen ich die Instrumente baue, feste bezahlte Arbeit gefunden, was mich unheimlich freut. Dadurch werden sich jetzt aber auch allgemeine Arbeitszeiten verändern. Ich habe für das neue Jahr jedoch schon einige zusätzliche Pläne, so dass ich diese Tage anderweitig nutzen werde. Die Idee ist, Juvips international über ein Erasmusprogramm mit anderen Organisationen zu vernetzen.
Dabei gilt es nun erst einmal eine 14.000 Einträge lange Excel Tabelle nach geeigneten Projekten und Organisationen zu durchsuchen. Das ist zwar nicht die angenehmste Arbeit, aber es muss ja gemacht werden.
Zwischenseminar:
In der ersten Dezemberwoche hatten wir ein toll organisiertes Zwischenseminar mit den anderen deutschen Freiwilligen und zwei argentinischen Koordinatoren zusammen. In den Räumlichkeiten des „Cottolengos“ haben wir nicht nur reflektierende Gespräche und sportliche Aktivitäten gehabt, sondern auch einige gemeinsame Aktionen mit den Bewohnern mit Behinderungen, die dort leben. Dies war durchaus für mich eine neue und interessante Erfahrung.
Das Zwischenseminar habe ich auch noch einmal genutzt und mir selbst über meine Gedanken und Gefühlswelt klar zu werden. Dabei ist mir klar geworden, dass ich meine Wohnsituation so für ein Jahr nicht mehr weiter führen kann. Natürlich ist die Wohnung extrem klein, so dass man keinen Platz hat für seine Sachen, aus den Koffern lebt und keine Rückzugsmöglichkeiten hat, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch dies eine ganz besondere Situation werden kann, an die man sich gewöhnen kann. Leider wurde ich jedoch von Anfang an mit zwischenmenschlichen Problemen aufgrund von kulturellen Differenzen konfrontiert, die mir das Ankommen in einem fremden Land erschwert haben. Wir haben daher gemeinam mit meinem Gastvater und meinem Koordinator entschieden, dass ich für die zweite Hälfte meines Aufenthalts meine Unterkunft wechseln werde.
Trotzdem ist mir die Entscheidung nicht leicht gefallen, weil ich zu meinem einen Gastbruder eine wirklich tiefe Freundschaft aufgebaut habe. Auch mein Gastvater hat sich trotz seiner vielen Arbeitszeiten stets um mich bemüht.
Ich bin mir aber sicher, dass ein Gastfamilienwechsel Ende Januar die richtige Entscheidung ist und mir gut tun wird.
In meiner Freizeit mache ich noch fleißig Karate und treffe mich mit deutschen Mitfreiwilligen als auch Argentiniern, so dass es immer wieder zu lustigen Erlebnissen kommt. So hatte ein argentinischer Freund spontan zwei Tickets für einen Kinobesuch spät abends. So bin ich dort mit Lennard nach unserem Karatekurs hingegangen. Den Film haben wir trotz Bemühung auf Spanisch leider nicht verstanden, so dass wir die Zeit genutzt haben, um ein wenig zu schlafen, aber auch unserem argentinischen Freund ging es ähnlich, nicht da er den Film sprachlich nicht verstanden hätte, eher da er ihn gelangweilt hat. Nach dem Kinobesuch gegen zwei Uhr nachts ist in Códorba jedoch wegen eines starken Gewitters, Wind und Regens gefühlt die Welt untergangen, so dass selbst die Taxifahrer keinen mehr mitgenommen haben.
So haben wir dann spontan in einem Hostel in der Nähe kostenlos geschlafen, da unser Freund dort arbeitet und die Schlüssel hatte. Nach einem gemütlichen Frühstück am folgenden Tag, bin ich dann zurück zur Fundacion gegangen.
Wie voll meine Woche ist, merke ich vor allem daran, dass ich es am Wochenende nur noch mit großem Bemühen schaffe, meine Erlebnisse der Woche revúe passieren zu lassen.
Heiligabend werde mit der Familie meines Gastvaters feiern. Auch wenn ich mir ein Weihnachten ohne meine Familie in Deutschland nicht vorstellen kann, wird das bestimmt auch eine nette Erfahrung. Nach den Feierlichkeiten wird Gabriel mich dann noch zum Flughafen fahren und dann beginnt die Reise, auf die ich schon in voller Vorfreude bin.
Ich werde für knapp 20 Tage meine Freundin Lea, die ein Weltwärts-Programm in Ecuador macht, besuchen und mit Sicherheit eine unvergesslich tolle Zeit haben. So wirklich glauben kann ich es noch nicht, auch wenn die Flüge schon länger gebucht sind und ich zugegebener Weise tatsächlich die Tage gezählt habe. Spätestens begreifen werde ich es – denk ich – dann, wenn ich zum Flughafen aufbreche.Ich wünsche euch Allen wunderschöne Weihnachten und einen guten Rutsch in das neue Jahr.
Dieses Jahr 2018 war mit Sicherheit das aufregendste Jahr für mich. Wenn ich darüber nachdenke, dass ich vor einigen Monaten erst mein Abitur gemacht habe und jetzt von der anderen Seite der Welt einen Bericht über meine Erfahrungen in Argentinien als Instrumentenbauer recycelter Materialien schreibe, kann ich es selber kaum fassen.
Jonas