Ist immer noch nötig, die Leute in Polen zu unterstützen?
AK Polenhilfe informiert - Transport Oktober 1998
Das Jahr 1998 war für den AK Polenhilfe in Köln-Klettenberg und Hennef-Warth sehr arbeitsreich. Im März dieses Jahrs besuchte uns eine Vertretung der Sonderschule aus Nysa (Neiße), die sehr unter der Hochwasser-katastrophe in Polen gelitten hatte. Zusammen haben wir interessante Tage verbracht und drei Sonderschulen in Köln, Hennef und St. Augustin, sowie einen integrativen Kindergarten für behinderte und nicht-behinderte Kinder in Köln-Klettenberg besucht. Außerdem nahm Johanna (sie hat eine Muskelkrankheit und ist seit Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen) einen elektrischen Rollstuhl entgegen. Im Oktober zeigte sie uns mit unglaublicher Lebenslust und Freude, wie sie jetzt selbständig spazieren fahren kann, ganz alleine, ohne auf jemanden angewiesen zu sein. Der neue Rollstuhl hat sie sehr viel selbständiger gemacht und ihr ein Stück Freiheit zurückgegeben.
Im Mai konnten wir einen zusätzlichen Transport mit Ausstattungsgegenständen, aber auch mit Spielzeug und Süßigkeiten für die Schule in Nysa starten. Anfang Oktober rollte dann schon zum 9. Mal unserer Polenhilfstransport nach Gliwice (Gleiwitz) in Oberschlesien. Den LKW haben wir mit 5 Tonnen an Kleidung, Gardinen, Bettwäsche, Spielzeug und kleineren Haushaltsgegenständen beladen. Schuhe und Süßigkeiten haben wir mit privaten PKWs mitgenommen, da sie beim offiziellen Transport nicht mitgeführt werden dürfen.
Für Sonntag, den 04.10.98, hatten wir etwa 30 Familien eingeladen, die wir schon seit Jahren betreuen. Von der Gemeinde “Mutter der Kirche” in Gliwice kamen noch ca. 100 Leute aus bedürftigen und kinderreichen Familien dazu. Wir baten um kleine, freiwillige Spenden für die ausgesuchten Sachen und haben fast DM 200,- eingesammelt, die wir für die Mittagsessenausgabe an die ärmsten Kinder der Gemeinde gespendet haben.
Von den mitgenommenen 5 Tonnen ist diesmal wieder nur sehr wenig übriggeblieben, ca. 30 von 300 Säcken. Diese übernahm die Caritas der Gemeinde in Gliwice. Alle waren sehr dankbar für die vielen, schönen Sachen und wir konnten wieder persönlich erleben, dass unsere Hilfe gebraucht und angenommen wird.
Manchmal verlässt uns trotzdem ein wenig der Elan, diese Arbeit weiterzuführen: Sachen sortieren, einpacken, schleppen, um Spenden bitten, die Probleme und manchmal Schikanen bei den polnischen Behörden überwinden. Dabei haben alle Familien des AK Polenhilfe mindestens drei Kinder, die ja auch nicht vernachlässigt werden dürfen. Doch nach jedem Transport, wenn wir die Freude der Leute erleben, unsere Sachen erkennen und sehen, dass sie auch wirklich getragen und gebraucht werden, wenn uns Leute glücklich und aufgeregt erzählen, was für schöne Sachen sie für sich und die Familie gefunden haben, dann wissen wir, dass unsere und Ihre Hilfe trotz aller Widrigkeiten notwendig ist und dass wir einen weiteren Transport fahren werden.
Wir werden immer wieder gefragt: “ Ist das immer noch nötig, die Leute in Polen zu unterstützen? Die sind fast in der EG, da brauchen sie keine Hilfe mehr”. Wenn man aber genauer hinsieht, erkennt man schnell das die Realität anders aussieht.
Unsere polnischen Freunde haben uns gebeten, unsere Hilfe noch weiter fortzusetzen. Die Situation in Polen ist vor allem für Arbeitslose, Rentner, kranke Menschen und kinderreiche Familien sehr schwierig. Sie stehen in der Hierarchie ganz unten und viel schlechter da als noch vor Jahren. In vielen Fällen reicht der Verdienst beider Eltern nicht aus, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Da die Familien reichlich von uns mit Kleidung versorgt werden, brauchen sie, dank Ihrer Hilfe, keine Kleidung mehr zu kaufen und können das Geld für den Lebensunterhalt verwenden. Die Preise in Polen sind fast auf dem Niveau von Deutschland, aber der Lohn ist wesentlich geringer. Eine Rente von 300 DM und ein Verdienst von 500 DM sind normal in Polen. Wenn dann dieses Geld so gerade für die Miete reicht, ist es schwer, eine Familie zu ernähren.
Um den Kontakt mit unseren polnischen Freunden zu vertiefen, aber auch um das Land besser kennen zu lernen, haben 3 Familien aus unserem Kreis gemeinsam eine Woche in einem Haus bei Annaberg verbracht. Wir haben deutsch-polnische Lagerfeuerabende veranstaltet und bei Wurst und Bier über Gott und die Welt gesprochen. Wir wurden gefragt, ob die Kirche in der Gesellschaft an Bedeutung verliert, weil wir eine christliche Partei abgewählt haben und ob wir nach den Wahlen auch Sozialismus einführen wollen. Uns dagegen interessierte, warum die Kirchen in Polen immer noch so voll sind und was die polnischen Bauern von der EG denken. Wir haben bei diesen Treffen viel voneinander erfahren und miteinander erlebt.
Auch unseren Kindern hat es gefallen und sie fragen schon: „Wann fahren wir wieder nach Polen?“
Leszek