Erfahren, solange noch Zeit ist ...
Unter dieser Überschrift veranstaltete der AK Polenhilfe in Köln-Klettenberg und Hennef-Warth mit dem Maximilian-Kolbe-Werk am 24. Mai 2004 einen Begegnungsabend zwischen ehemaligen polnischen KZ-Häftlingen und Interessierten aus den Gemeinden.
Über 50 Jahre nach Kriegsende leben allein in Polen ca. 25.000 KZ-Häftlinge. Die Jüngsten von Ihnen sind etwa 60 Jahre alt; sie sind im Konzentrationslager geboren, wurden als Kinder inhaftiert oder, wie viele der jüdischen "Holocaust-Kinder", bei katholischen polnischen Familien versteckt.
Wie wichtig sind solche Treffen für die Überlebenden?
Aussage einer Frau nach 3 Wochen Begegnungsaufenthalt in Deutschland: "In Polen reden wir über unseren Alltag, über das was jetzt ist. Hier in Deutschland reden wir über unsere Vergangenheit, unser Heilprozess ist hier, ... Ich habe noch schlimme Träume. Aber sie sind weicher geworden, sie verlieren immer mehr ihre Kraft" .
Wie wichtig sind solche Treffen für uns?
Als meine (Leszek) Mutter starb, hatte ich das Gefühl, die Zeit verpasst zu haben, als sie gelebt hat, Fragen zu Vergangenheit zu stellen und antworten zu bekommen. Ich habe zu wenig gefragt, ich hätte heute so gerne meine Fragen gestellt, es ist zu spät. Deswegen sollten wir vielleicht eine der letzten Gelegenheiten nutzen, die Zeitzeugen zu befragen, direkt mit ihnen zu sprechen. Erfahren, solange noch Zeit ist ...
Die Gruppe der 12 Zeitzeugen, die zwischen 70 und 85 Jahren alt waren, kam geschlossen zu der Veranstaltung in die Begegnungsstätte. Für sie, die meist in Kölner Schulen von ihrem Leben berichten, war es eine der wenigen Veranstaltungen mit einer anderen Zielgruppe.
So waren auch sie sehr gespannt. Für uns war es zunächst einmal sehr spannend, wie viele Gäste überhaupt den Weg zu dieser Veranstaltung finden würden. Wir waren sehr zufrieden, dass wir eine Gruppe von etwas über 30 Personen begrüßen durften.
Diese teilten wir mit den Zeitzeugen in 4 Tischgruppen für den Abend auf. Nach einer Einführung von Frau Multhaupt vom Maximilian-Kolbe-Werk und Frau Gasper vom AK Polenhilfe baten wir einige der ehemaligen Häftlinge, uns von ihren Erlebnissen zu berichten.
Wir hörten von einer Frau, die als Jugendliche zunächst zu Zwangsarbeit gezwungen und später wegen einer Geringfügigkeit (Diebstahl einer Handvoll Kartoffeln) inhaftiert wurde und das Ende des Krieges im Konzentrationslager erlebte.
Wir hörten von einem Mann, der schon als 5-jähriger mit seinen älteren Geschwistern ins Kinderlager Potulice (bei Bromberg - heute Bydgoszcz) gebracht wurde und dort aufwuchs. Wir hörten von Gefangenschaft, Willkür, Hunger und Todesmärschen kurz vor Ende des Krieges.
Wir hörten aber auch, dass es bei diesen Menschen keinen Hass auf „DIE Deutschen“ gibt. Sie haben in ihrer Lagerzeit auch Hilfe und Lebensrettung durch Deutsche erfahren und legen großen Wert darauf, differenziert von ihren Erfahrungen zu berichten.
Dies taten sie aufgrund guter Deutschkenntnisse meistens selbst, manche ließen übersetzen. Anschließend gab es Gelegenheit, Fragen zu stellen. Diese wurden sehr offen beantwortet. In den Tischgruppen konnte die Unterhaltung im kleineren Kreis weitergeführt werden. Meine Erfahrung war, dass es sehr wohl etwas anderes ist von den Zuständen in den KZ’s zu lesen als einer Person gegenüber zu stehen, die dies am eigenen Leib erfahren musste. Sehr schnell war der Abend vorüber und es hätte noch viel zu erzählen gegeben.
Das Treffen vergrösserte das Verständnis füreinander und dadurch diente der Versöhnung. Dies ist auch immer eines der großen Ziele der Arbeit des AK Polenhilfe. Für alle, die dabei waren, hat sich der Abend gelohnt und eine Wiederholung im Rahmen des nächsten Zeitzeugenaufenthaltes ist sicher denkbar.
Für AK Polenhilfe - Edith Gasper und Leszek Paszkiet