Predigt an Weihnachten 2024
Irgendwie lief es nicht rund, damals in Nazareth, damals im Bethlehem. Dabei hatte alles so wunderbar angefangen. Der Engel brachte Maria diese wunderbare Botschaft. Unglaublich, aber wahr. Und auch den Josef hat der Bote Gottes besucht.
Gott wird Mensch. Der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Weltgeschichte, und der einfache Zimmermann aus Nazareth und seine Verlobte sind mit beteiligt, ganz vorne, in der ersten Reihe. Ganz frei waren sie in ihrer Entscheidung gewesen. Sie hätten auch nein sagen können. Vielleicht, bestimmt sogar hätte Gott sich dann einen anderen Weg gesucht und gefunden, um eines Tages ein Mensch, ein Kind zu werden. Er ist ja Gott. Und für Gott ist nichts unmöglich.
Aber er brauchte nicht weiter zu suchen. Maria und Josef, zwei Menschen, zwei Geschöpfe, denen Gott wie uns allen die Freiheit geschenkt hatte, hatten in ihrer Freiheit schon ja zu Gott und ja zu Jesus gesagt. Was sollte da schon schief gehen?
Stand die Mission Menschwerdung dann auch wirklich unter einem guten Stern?
Kurz vor der Geburt Jesu, Maria war hoch schwanger, kam der Befehl des Kaisers. Jeder musste in die Stadt seiner Väter reisen, wegen der Steuerlisten. Heute wäre das einfacher, es würde sicher online gehen. Aber vor über 2000 Jahren nicht. Die Reise wäre auch einfacher. Wenn die Straßen frei sind, braucht ein Auto für die Strecke – laut Navi – ein bisschen mehr als zwei Stunden.
Aber Maria und Josef waren zu Fuß unterwegs, vielleicht noch mit einem Esel fürs Gepäck. Und sie brauchten mehrere Tage für die Strecke. In Bethlehem brauchten die beiden ein Zimmer, eine Unterkunft, irgendein Dach über dem Kopf. Aber auch das war unmöglich. Und als nach der legendären Herbergssuche Maria und Josef draußen vor der kleinen Stadt in einen Schafstall einkehrten, werden sie sich da nicht gedacht haben: Worauf haben wir uns da eigentlich eingelassen?
Und vielleicht haben sie auch gedacht: Gott, wir machen all das, weil du es wolltest.
Und jetzt? Warum lässt du uns so allein?
Warum die tagelange Reise mit der hochschwangeren Maria?
Und warum ist hier nicht einmal ein kleines Zimmer frei?
Sag, Gott, liebst du uns noch?
Oder hast du uns vergessen?
Ein Stall, irgendwo draußen auf dem Feld. Schafe und Ziegen grasen um den Stall, um die Höhle herum. Bei Regen stellen sie sich dort unter. Ein Rind liegt auch noch da. Alles riecht sehr nach Landwirtschaft. Irgendwo bellt von weitem ein Schäferhund. Und es zieht. Nicht einmal eine Tür ist da, die man schließen kann. Da kann man schon mal auf die Idee kommen, dass die Mission doch scheitern könnte, selbst dann, wenn Gott selbst die beiden auf die Reise geschickt hat. Es ist eben nicht alles rund gelaufen, damals in Bethlehem.
Die Geschichte geht weiter, wir kennen sie alle. Das Kind wird geboren, wird in Windeln gewickelt – und dann bricht alles in Jubel aus. Ein großes himmlisches Heer umgibt Maria und Josef und die Hirten und alle, die gekommen sind.
Ehre sei Gott in der Höhe. Und Frieden soll auf Erden für alle Menschen sein.
Das große Jubeln, das große Ausrufezeichen am Ende der Weihnachtsgeschichte zeigt zuerst Maria und Josef und dann jedem Einzelnen von uns:
Es ist gut, dass wir hier sind.
Und Gott ist selber mit uns hier.
Für ihn ist kein Weg zu weit.
Gleichzeitig ist diese Geschichte auch eine Antwort auf die Fragen unserer Zeit.
Sollen wir eigentlich noch Weihnachten feiern?
Wir haben Krieg, ganz in der Nähe von Bethlehem. Und einen anderen in der Ukraine, nicht weit weg von uns. Und immer schwingt die Frage mit: Wie stabil ist der Frieden in Mitteleuropa, in unserem Land? Unsere Regierung ist in der Krise, wir müssen demnächst neu wählen. Und wer weiß, wie das ausgeht? Amerika hat gewählt, und viele fürchten, dass die Freundschaft zwischen Amerika und Europa sich in den nächsten Jahren abkühlt und dass es uns schlechter geht. Eine Wirtschaftskrise hat uns erwischt, fast alle haben weniger Geld in der Tasche. Und das Klima wird immer wärmer, keiner weiß, wo das noch hinführt mit den großen Waldbränden, Dürren und Überflutungen. Und nach dem Putsch in Syrien fragen viele Menschen sich recht ratlos:
Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Entwicklung, die das Land und die Region erleben? Wie stabil ist unser Friede?
Die Liste kann fortgesetzt werden, sicher fällt allen noch mehr ein, Gedanken, die ganz unweihnachtlich sind, ungemütlich, mulmig, so wie der zugige Stall damals, den Maria und Josef als Notunterkunft für die Geburt Jesu wählten. Und bei den vielen Fragen, bei der ganzen Unsicherheit, als keiner mehr wusste, wie es weitergeht, da kam das Kind zur Welt.
Die Weihnachtsgeschichte beantwortet die Frage, ob wir heute noch Weihnachten feiern sollen, überdeutlich mit ja.
Gott ist Mensch, ein für alle Mal.
Trotz aller Krisen, aller Krankheiten und Nöte, er ist bei uns. Er ist der Immanuel, der Gott mit uns. Und da ist noch eine andere Botschaft, nämlich die des Engels an die Hirten von Bethlehem. Und die geht uns auch an.
Fürchtet euch nicht! Fürchtet euch nicht vor morgen. Es gibt immer einen Weg. Fürchtet euch nicht vor Veränderungen.
In jeder Zeit der Welt hat es Veränderungen gegeben. Und vieles kann man nicht planen. Fürchtet euch nicht vor dem Klimawandel. Tut alles, was ihr könnt, um die Umwelt und das Klima zu schützen, aber habt keine Angst, wenn sich etwas ändert.
Fürchtet euch nicht vor Anschlägen und Bedrohungen. Der Anschlag von Magdeburg war schrecklich und hat unfassbar viel Leid gebracht. Versucht nach Kräften, solche Katastrophen zu verhindern, aber habt keine Angst. Seid einfach da, wenn ihr gebraucht werdet.
Und fürchtet euch nicht vor der Zukunft. Die nächste Generation ist schon da, sie sieht uns an durch die Augen der Kinder.
Und auch diese Generation wird nicht die letzte sein. Gott ist ja da, er ist doch Mensch geworden, er ist selber ein Kind. Im Stall. Für uns, für alle, auch und besonders für die Kinder. Er wird den Weg in jede neue Zeit mitgehen. Und keiner muss mehr alleine sein.
Aus dem Matthäusevangelium wissen wir von den Weisen aus dem Morgenland und von König Herodes, der das neugeborene Kind töten wollte. Nach der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem sind Maria und Josef sich aber felsenfest sicher, nicht mehr allein zu sein. Gott ist ja da, er ist das Kind, das ihre Nähe und Liebe braucht. Und weil Gott bei ihnen ist, gelingt Maria und Josef auch die Flucht nach Ägypten.
Weihnachten ist der Wendepunkt, der Tag der großen Freude.
An Weihnachten ist Gott ein für alle Mal Mensch geworden, und zwar nicht nur, damit wir uns ab und zu nette Geschichten von früher erzählen, sondern damit wir Freude, Hoffnung und Zuversicht haben, selbst wenn unser Leben, unsere Welt oder die Umstände es uns schwer machen mit der Freude und dem Glücklichsein. Gott ist Mensch geworden, um Mensch zu bleiben. Und nichts und niemand, nicht einmal die Kreuzigung, nicht einmal der Tod konnte verhindern, dass er Mensch ist und bleibt, damals, heute und immer.
Und deshalb feiern wir Weihnachten.
Ohne Angst. Und ohne Bedenken. Und ohne schlechtes Gewissen.
Gott ist Mensch. Einer von uns.
Halleluja! Amen.