Predigt am 32. Sonntag im Jahreskreis B, 07. November 2021
Was wird er uns heute sagen?
Hütet euch vor den Pfarrern, vor den Bischöfen?
Sie verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete, sie wollen die Ehrenplätze haben, wollen gegrüßt werden, wollen etwas Besseres sein als die andern.
Ich bin auch so einer.
Ich wurde von Kardinal Meisner im Kölner Dom zum Priester geweiht, wurde oft aufgefordert, priesterliche Kleidung zu tragen, mag auch schöne Gewänder - und natürlich ist es verlockend, zu denen zu gehören, die gegrüßt werden, denen man gute Plätze anbietet und die man als Ehrengäste zum Essen einlädt.
Dieses Priesterbild war üblich und selbstverständlich für eine sehr lange Zeit, aber es hat nie dem entsprochen, was Jesus wollte.
Ehrlich sollen wir sein, authentisch.
Das Vertrauen, das wir für unseren Dienst brauchen, müssen wir uns redlich verdienen, es fliegt uns nicht mit der Weihe zu.
Und ganz wichtig: Weihe ist Dienst, nicht Ehre.
Wenn ich den Versuchungen erliege, die mein Priestertum mit sich bringt, bitte ich Sie und euch alle, mir das sofort mitzuteilen, damit ich nicht werde wie die, vor denen Jesus die Leute damals in der Synagoge gewarnt hat.
Ein Aufreger in der Diskussion beim deutschen synodalen Weg war der Antrag, man möge darüber diskutieren, ob die Kirche noch Priester braucht.
Der Antrag wurde mit einer hauchdünnen Mehrheit von 51 zu 49 % abgelehnt. Aber wie kommt es dazu?
Ist das tradierte Amtsverständnis schuld?
Solche Priester, die sich genauso gebärden wie die Schriftgelehrten zur Zeit Jesu, solche Priester braucht wirklich keiner.
Priester, die meinen, sie seien aufgrund ihrer Weihe bessere Menschen als die vielen anderen, ungeweihten, sind überflüssig.
Als einfacher Priester wollte Weihbischof Dominik Schwaderlapp nach Kenia gehen, und es verging kaum eine Woche, da kursierten Bilder im Netz mit ihm im vollen Bischofsornat.
Er sei darum gebeten worden, so seine Erklärung. Aber warum ist er der Bitte dann nachgekommen?
Konnte er nicht einfach nein sagen?
Wir sind geweiht. Zu Diakonen, zu Priestern, manche zu Bischöfen.
Die Weihen binden uns an den Auftrag, das Wort Gottes zu verkünden, die frohe Botschaft zu den Menschen zu bringen. Die Weihe ist eine Aufgabe, ein Auftrag, ein Dienst. Sie ist keine Ehrung, keine Adelung, kein Privileg. Geweihte sind nicht besser als andere.
Es ist schlimm, dass ich das sagen muss.
In einer Kirche des 21. Jahrhunderts müsste das so selbstverständlich sein, dass es keine Erwähnung mehr braucht.
Das Wort Gottes zu den Menschen bringen, Sakramente spenden als sichtbare Zeichen der Nähe Gottes, darauf kommt es an. Nicht auf das Gewand, die Soutane, den Kragen. Manch ein Mitbruder hat es noch nicht verstanden, dass es kein Hochwürdentum mehr gibt. Immer noch nicht.
Ein Priester, ein heiliger Mann, ein geweihtes Haupt galt lange als unantastbar. Er machte keine Fehler. Er war schließlich ein Mann Gottes.
Wenn die Leute einem das oft genug erzählen, fängt man am Ende noch an, es zu glauben.
Wer als unantastbar, als Mann Gottes gilt, der kann sich alles erlauben. Denn was ist die Aussage eines gequälten und missbrauchten Kindes wert gegen das Wort eines Priesters der heiligen Kirche?
Nur durch die Überhöhung des Weiheamtes konnte der schlimme sexuelle Missbrauch einiger Geistlicher so lange geschehen, so lange vertuscht werden.
Und dann ist es in der Diskussion des Synodalen Weges gar nicht verwunderlich, wenn die Synodalen das Priestertum in Frage stellen, wenn sie fragen, ob wir das noch brauchen.
In der langen Diskussion um Missbrauch in der Kirche und in der Aufarbeitung muss es erlaubt sein, alles in Frage zu stellen und alles zu prüfen, überall zu fragen, ob die Liebe und Zuwendung Gottes zu jedem einzelnen Menschen sichtbar und spürbar wird.
Jesus kennt die Menschen. Wir versuchen seit Jahrtausenden, auf Andere Eindruck zu machen. Gleichzeitig versuchen wir, andere zu beurteilen, uns ein Bild zu machen. Aber unsere Schlußfolgerungen sind immer nur vage Vermutungen, nie unfehlbar.
Gott ist anders. Er will nicht wissen, wie wir wirken, sondern wie wir wirklich sind. Er kennt uns, er weiß, wie groß das Opfer der armen Witwe ist, die ihre letzten zwei Münzen in den Opferkasten wirft.
Für ihn ist diese Frau heiliger als die Gelehrten, die nicht mehr nach Gott und dem Nächsten fragen, weil sie meinen, sie seien Männer Gottes und hätten das nicht nötig.
Gott kennt uns, unsere Geschichte, unsere Überzeugungen, unseren Weg, unsere Talente. Er allein weiß, was uns leicht- und was schwerfällt, was wir uns hart erarbeiten mußten und was uns zugeflogen kam. Und durch Scheinheiligkeit läßt er sich schon gar nicht täuschen.
Er sagt deswegen: Urteilt nicht.
Dann werdet auch ihr nicht verurteilt.
Wie oft hat die Kirche verurteilt!
Ein Mensch, dessen Ehe gescheitert ist, gilt als gescheitert.
Ein homosexueller Mensch gilt als fehlgeleitet.
Die Zulassung zur Ehe kann nicht erfolgen.
Die Zulassung zu den Sakramenten kann erst erfolgen, wenn die Eheangelegenheit geregelt ist.
Diese Sätze kommen aus dem Apparat derselben Kirche, die Priester im Amt gelassen hat, die sich an Kindern und Jugendlichen vergangen haben.
Und diese Priester wurden nicht aus dem Amt genommen, wurden auch nicht exkommuniziert.
Die schwerste Strafe, die die Kirche verhängen kann, ist die Exkommunikation. Wer wiederverheiratet geschieden ist, wer aus der Kirche ausgetreten ist, wer evangelisch ist, darf den Leib Christi offiziell nicht empfangen.
Für die Verbrecher im Priestergewand galten aber offenbar andere Maßstäbe.
Sakramente sind Zeichen der Liebe und Zuneigung Gottes. Wer bin ich – als Priester einer Kirche, die selber schuldig geworden ist - , dass ich einem Menschen ein solches Zeichen der Liebe Gottes vorenthalte?
Deshalb sind alle eingeladen, den Leib Christi zu empfangen. Einzige Voraussetzung: Wer den Leib Christi empfängt, muss fest daran glauben – oder es zumindest versuchen - ,dass Christus selbst ihm begegnet. Der Leib Christi ist eine liebevolle Umarmung Gottes. Zu ihm darf ich auch kommen, wenn ich Fehler habe, wenn ich – um ein altes Kirchenwort zu benutzen – Sünder bin.
Nicht umsonst heißt es vor jedem Kommunionempfang: Herr, ich bin nicht würdig…, aber sprich nur ein Wort. Das reicht.
Noch einmal. Die Liebe Gottes zu allen Menschen bringen, von Gott erzählen, der uns liebt, das ist die heiligste und größte Aufgabe der Kirche. Daran muss alles gemessen werden. Auch die Ämter, das Kirchenrecht, das alte Selbstverständnis.
Es geht nicht um Äußerlichkeiten, Formalismen und Regeln, die Menschen verletzen oder ihnen weh tun.
Es geht darum, eine frohe Botschaft zu allen Menschen zu bringen, nicht nur zu einigen wenigen.
Und das kann jeder von uns, egal, ob nah dran oder weit weg, ob Priester oder nicht, ob orientiert oder suchend.
Und das ist Kirche.
Amen.